Vertrauen im Team mit Personal Maps aufbauen

“Mitglieder eines Teams müssen sich gegenseitig vertrauen.” Wenn ich diesen Satz gegenüber meinen Kunden (Manager, CEOs, Unternehmer) äußere, zucken manche mit den Schultern und nicken. Augenscheinlich handelt es sich um eine Trivialität. Wenn ich dann etwas tiefer in das Thema einsteige, wird schnell klar, so trivial, wie die Aussage zuerst klingt, ist sie gar nicht. 

Welche Art von Vertrauen ist eigentlich gemeint? Vertraue ich Bob, dass er die neue User Story implementieren kann? Vertraue ich Alice, dass sie den Fehler in der Software findet, der uns soviel Ärger bereitet hat? Diese Art von Vertrauen ist nicht gemeint. Bob ist ein erfahrener Software-Entwickler, der die Story sehr gut verstanden und sich auf die Implementierung commitet hat. Es ist fast ausgeschlossen, dass er scheitert. Und Alice hat mehr Bugs aufgespürt als alle anderen im Team. Sie ist die beste Testerin weit und breit. Wie könnte ich ihr nicht vertrauen?

Kurzum: Darum geht es nicht. Doch, kann man Alice und Bob anvertrauen, dass man gerade private Probleme hat, schlecht schläft und sich deshalb neulich einen üblen Schnitzer bei der Programmierung geleistet hat? Darf man ihnen sagen, dass man von den neuen Business-Anforderungen kein Wort verstanden, aus Angst geschwiegen hat und trotzdem daran arbeitet? Anders gesagt: Arbeite ich in einer Umgebung, in der ich Schwächen offenbaren darf oder werde ich dafür abgestraft? Diese Art von Vertrauen meine ich.

Patrick Lencioni spricht in “Five dysfunctions of a team” von “vulnerability based trust”. Amy Edmonson versteht dieses Vertrauen als Grundlage für eine “fearless organisation” und die dort vorhandene “psychological safety”. Simon Sinek führt das Vertrauen, von dem ich hier spreche, als Kennzeichen eines “Circle of safety” auf und schreibt in “Leaders eat last” darüber:

Without a circle of safety, people are forced to spend too much time and energy protecting themselves from each other.
— Leaders eat last, Simon Sinek

Und Daniel Coyle sieht in Verletzlichkeit, die Vertrauen voraussetzt und erzeugt, eine von drei Zutaten des “Culture Code”, der eine erfolgreiche Workplace Culture hervorbringt.

Doch wie erzeugt man diese Art von Vertrauen? Es gibt viele Möglichkeiten und es geht nicht von heute auf morgen. Insofern will ich die Frage an dieser Stelle nicht vollständig, sondern nur exemplarisch beantworten. 

Ich mische dazu Ideen aus “Five dysfunctions of a team” und “Management 3.0” und das geht so: Zu Beginn einer Reihe von Teambuilding-Workshops starte ich mit einer Übung zum gegenseitigen Kennenlernen. Dabei ist es mir egal, ob es sich um ein neugebildetes oder ein Team handelt, das schon länger zusammenarbeitet. Erstaunlich oft kennen sich auch langjährige Teammitglieder nicht so gut, wie sie denken.

Zuerst teile ich das Team in Paare, bestehend aus Person A und Person B, auf. Beide Personen sollen sich nacheinander interviewen. Die Aufgabe lautet: Lerne die andere Person kennen. A stellt also Fragen, um B besser kennenzulernen. Die Antworten zeichnet und notiert A in einer Personal Map von B. Dabei handelt es sich um eine Darstellung in Form einer Mind Map. In der Mitte steht der Name von Person B. In der nächsten Ebene stehen die Themengebiete der Fragen, z.B. Familie, Beruf, Hobbies. Darauf folgen die Antworten, die B gegeben hat. Wenn die Personal Map von B fertig ist, wechseln die Rollen und B stellt nun A seine Fragen und zeichnet dessen Personal Map.

Die gezeichneten Maps sind bei meinen Kunden meist nicht so farbenfroh wie auf der Management-3.0-Seite, das verringert aber nicht die Wirkung.

Wenn alle Interviews abgeschlossen und alle Maps gezeichnet sind, kommt das Team wieder zusammen und es beginnt die Vorstellung aller Teammitglieder. Dabei stellt A seinen Kollegen B auf Basis der Personal Map vor. Das ganze Team darf Fragen stellen und es ist durchaus erlaubt, ein munteres Gespräch entstehen zu lassen.

Wie verhält es sich nun mit dem Aufbau von Vertrauen? Zunächst kann man davon ausgehen, dass ein besseres Kennenlernen jeglicher Art für gestärktes Vertrauen sorgt. Doch der Schlüssel der Methode liegt in der Auswahl der Fragen. Ich gebe mehrere Themengebiete vor; darunter meist Familie, Beruf, Interessen, Jugend, Ambitionen. In jedem Themengebiet stelle ich mehrere Fragen zur Auswahl, in der Gruppe “Familie” etwa “Wieviele Geschwister hast Du? Wie alt sind sie? Was machen Deine Eltern beruflich? Wo bist Du aufgewachsen?”. Diese Fragen empfinden die meisten Leute als “einfach”. In den Themengebieten “Jugend” und “Ambitionen” stecken Fragen, die ein moderates Maß an Verletzlichkeit erzeugen. Beispiele: “Was war in der Jugend Deine größte Herausforderung? Was wolltest Du in Deinem Leben schon lange erreichen und hast es noch nicht geschafft? Weshalb?” Diese Fragen sind wenige “einfach”. Woran liegt das?

Bei der Formulierung der Fragen ist Fingerspitzengefühl gefragt. Es geht darum, dass die Teammitglieder Schwächen offenbaren, ohne sich bloßgestellt zu fühlen. Dabei hilft, dass die Gespräche unter vier Augen stattfinden. Auch, dass sich eine Person nicht selbst vorstellt, sondern durch ein anderes Teammitglied vorgestellt wird.

Fazit

Meine Erfahrung mit dieser Vorgehensweise aus mehreren Jahren und mit einer Reihe von Teams sind ausnahmslos positiv. Die Teilnehmer sind nicht nur überrascht davon, was sie von ihren Kollegen erfahren, sie berichten auch von einer starken und langanhaltenden Verbundenheit. Genau das, was ich erreichen wollte.

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